Ich war im März 2024 gerade im schönen New Orleans, als ein Anruf aus Israel kam, ob ich Lust habe beim New Orleans Jazz Festival in Tel Aviv aufzutreten. Wusstet Ihr, dass es Interesse an New Orleans Jazz in Israel gibt? Ich nicht. Schon gar nicht, dass es dort schon seit über 20 Jahren ein New Orleans Jazz Festival gibt (www.hotjazz.co.il).
Die Zeiten für einen Besuch in Israel sind nicht wirklich ideal, aber ich zu neugierig um Nein zu sagen. Alles musste recht schnell gehen, da sich die Veranstalter kurzfristig entschlossen hatten, das Festival trotz der Krisensituation stattfinden zu lassen. Es gab einige Messages und Telefonate hin und her und schon war mein Flug gebucht.
Insgesamt waren es bestimmt 30 bis 40 Musiker aus Israel, Europa und den USA, die auf dem Festival auftraten. Darunter einige liebe Kollegen wie Denny Ilett aus England, Uli Wunner aus Deutschland und Harry Kanters aus Holland. Festivalorganisator Ziv und der künstlerische Leiter Eli stellten uns in Bands zusammen und wir mussten ein gemeinsames Programm erarbeiten. Als "Bandleader" war ich für drei Shows verantwortlich, die ich inhaltlich schon zu Hause von Deutschland aus mit den Kolleginnen und Kollegen absprechen und vorbereiten konnte. Am ersten Tag in Tel Aviv standen dann die drei Proben dafür auf dem Programm, so wie eine vierte für ein Duokonzert mit der wunderbaren israelischen Pianisten Hila Kulik an zwei Flügeln. Das war schon ein straffer Probentag. Zudem hatte ich mir am selben Morgen im Hotel an meinem Nassrasierer ein Stückchen Fingerkuppe an meinem linken Ringfinger abgehobelt, was die nächsten Tage noch ordentlich schmerzte beim Spielen. Musician's nightmare 😳
(Fotos: Peter Vit)
"Meine" Band für die drei Shows bestand aus einer versierten israelischen Rhythmusgruppe mit Yoni Halevi am Schlagzeug und Ziv Grinberg, Bass. Dazu kamen der italienische Trompeter Michael Supnick und der israelische Saxophonist und Klarinettist Dean Tsur. Beides fantastische Musiker. Die New Yorker Sängerin Vanisha Gould hatte zwar eine schöne Stimme, entpuppte sich aber schnell als äußerst unprofessionell und unkooperativ. Schade. Weitere Gäste wie u.a. der israelische Musiker Roni Eytan an der Mundharmonika (habe noch nie so einen guten Harpspieler gehört!) gesellten sich für einzelne Shows zu unserer Basis-Band. Herzlichen Dank für die ganzen tollen Fotos an Fotograf Peter Vit!
Mein persönliches Highlight war des Konzert an zwei Flügeln mit Hila Kulik. Hila ist nicht nur musikalisch top, sondern auch als Kollegin eine ganz und gar sympathische und angenehme Person. Mit ihr zu spielen fühlte sich von Anfang an völlig natürlich und leicht an. Wir reagierten intuitiv aufeinander und das musikalische Verständnis zwischen uns war so, als hätten wir wochenlang dafür geprobt. Klasse! Da Hila erst kürzlich nach Berlin umgezogen ist, wollen wir versuchen diese Kooperation fortzusetzen.
(Fotos: Peter Vit)
Von der Kriegssituation in Israel - es bestand nach wie vor eine Reisewarnung der Auswärtigen Amtes - haben wir in den Tagen vor Ort wenig mitbekommen. Außer dass überall in der Stadt Plakate mit Fotos derjenigen verteilt waren, die sich noch als Geiseln in der Hand der Hamas befanden. Jeder Laternenmast, Brunnen, am Flughafen, überall. Am Samstag fand eine Großdemo irgendwo in Tel Aviv statt, von der wir aber nichts mitbekamen. Kaum vorstellbar in einem Land zu leben, wo alle um Dich herum einen umbringen wollen. Auffällig waren die vielen positiven Rückmeldungen aus dem Publikum, die nach den Konzerten zu mir kamen, um sich persönlich zu bedanken, dass ich trotz der schwierigen Zeiten nach Israel gekommen bin.
Am letzten Tag, Samstag, 01. Juni, habe ich drei Shows gespielt, um 11:00 Uhr, 17:00 Uhr und das große Finale mit allen um 21:00 Uhr. 23:30 Uhr zurück im Hotel, Koffer packen, gaaanz kurz hinlegen und um 02:30 Uhr wurde ich schon wieder per Shuttle zum Flughafen gefahren, da mein Flug zurück nach Frankfurt um 06:10 Uhr startete. 10:40 Uhr in Frankfurt, 14:00 Uhr wieder zu Hause, nicht ohne noch eine Stunde Stau "kurz vor der Haustür" rund ums Hattenbacher Dreieck zu genießen.
Dennoch, trotz allem Stress und kurzer Nächte war es ein tolles Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Es gibt eine lebendige Jazzszene in Israel und dazu seit vielen Jahren ein New Orleans Jazz Festival in Tel Aviv (www.hotjazz.co.il) mit einem super netten Team und einer durchweg professionellen Organisation. Vielen Dank an Ziv, Eli, Mor, Gina, Moshe und die ganze Jazz-Family! Es war mir eine große Freude Euch kennenzulernen!
Comments